E-Mobilität als Chance – auch für den heimischen Mittelstand?

Fachgespräch über die Verkehrswende im Neckar-Odenwald

Die Grünen setzen beim Thema Verkehr auf Elektromobilität und bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr. Damit soll der hohe CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs, der immerhin ein Fünftel der Treibhausgasemissionen in Deutschland ausmacht, reduziert werden und die Erderwärmung gebremst werden. In einem Fachgespräch diskutierte Landtagskandidatin Amelie Pfeiffer am vergangenen Donnerstag über die Verkehrswende mit Annette Reif, ihrerseits Grüne und Managerin im Mittelstandsunternehmen Marquardt mit Stammsitz im baden-württembergischen Rietheim-Weilheim. Die Firma, die mechatronische Schalt- und Bediensysteme herstellt, ist mit über 11.000 Mitarbeitenden einer der weltweit führenden Zulieferbetriebe der Automobilindustrie. Dementsprechend ging es um die Frage: Kann die Verkehrswende für mittelständische Betriebe auch Chancen bieten?

Mit von der Runde war außerdem Prof. Rainer Klein Studiengangsleiter im Studiengang Mechatronik an der DHBW Mosbach, der aus wissenschaftlicher Sicht die Möglichkeiten und Vorteile der E-Mobilität vorstellte.

„Für das Autoland Baden-Württemberg ist die E-Mobilität die Chance, Weichen für die Zukunft zu stellen, wettbewerbsfähiger Technologieführer zu bleiben und damit Arbeitsplätze zu sichern. Die deutsche Industrie muss sich auf Decarbonisierung einstellen“, beginnt Reif das Gespräch. Sie selbst fährt seit kurzem ein E-Auto und findet, die Vorteile liegen auf der Hand: „Warum soll ich noch ein Auto fahren, dass ich nicht zuhause tanken kann? Mein neuer Wagen fährt nicht mit einer leicht entzündlichen und umweltschädigenden Flüssigkeit, besitzt nicht so viele wartungsintensive Bauteile, wie ein Verbrenner und nimmt mir obendrein in vielen Situationen das Bremsen ab.“ Regeneratives Bremsen heißt die neue Technologie, bei der Strom erzeugt wird, sobald man vom Gaspedal geht. Das steigert Effizienz und Reichweite und führt zu einem Bremseffekt, dank dem man in vielen Verkehrssituation auf das Bremspedal verzichten kann. „Das ist ein ganz neues Fahrgefühl“, schwärmt auch Pfeiffer, die einen Teil der Auslieferungen ihres Legehennenbetriebs neuerdings mit einem Elektro-Kleintransporter fährt.

Auch DHBW-Professor Klein sieht E-Mobilität als Chance, grenzt aber ein: „Wir müssen darüber hinaus den Nahverkehr attraktiver machen. Reinen Individualverkehr für jedermann, auch elektrisch, können wir uns nicht leisten. Außerdem wird das E-Auto am Ende nur dann umweltfreundlich sein, wenn auch die Stromerzeugung umweltfreundlich ist. Mit der Verkehrswende muss deshalb ein Energiewandel einhergehen.“

Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht er jedoch Schwierigkeiten durch die sehr emotional geführten Diskussionen um Windräder oder Freiflächenphotovoltaik. Auch die politischen Signale sind in seinen Augen noch nicht eindeutig. „Noch immer wird die teure Kohleverstromung subventioniert, so kann die Verkehrswende nicht vorankommen. Mein Vorschlag wäre, den Benzinpreis zu erhöhen und das Geld in den Ausbau der E-Mobilität zu stecken. Dann wäre das ein Selbstläufer“, so Klein.

Pfeiffer verwies auf die zahlreichen Vorbehalte gegen die Elektromobilität. Besonders oft höre sie die Sorge, dass die deutsche Automobilindustrie und viele Zulieferbetriebe durch den Wandel „kaputtgemacht“ würden und zahlreiche Arbeitsplätze verloren gingen. Managerin Reif sah das anders: Know-how und Technik der Zulieferbetriebe könnten in Zukunft einfach dort eingesetzt werden, wo sie für die neuen Technologien benötigt werden. Der Umbau der Automobilwirtschaft hänge im Wesentlichen an drei Punkten, so Reif. „Erstens muss eine Planungssicherheit für Beschäftigte und Verbraucher geschaffen werden, indem man ganz klar politisch und gesellschaftlich auf E-Mobilität setzt. Das kann zum Beispiel durch einen niedrigeren CO2-Flottengrenzwert oder durch eine klare Frist, ab der nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden, erreicht werden. Zweitens müssen Betroffene zu Beteiligten gemacht werden, um ein Verständnis dafür zu erzielen, dass der Umbau notwendig ist. Und drittens muss es darum gehen Arbeitsplätz zu erhalten, das heißt Umschulungen ermöglichen und neue Arbeitsfelder aktiv angehen, wie etwa den Ausbau der Ladenetze, und der Expertise im Bereich Batteriespeicher, Software und Recycling.“

„Die deutsche Kompetenz steckt in unserer Industrie“, ergänzt Klein, der überzeugt ist, dass auch der Odenwälder Mittelstand vom Wandel profitieren würde. „Die träge Großindustrie darf nicht länger bremsen, sonst können mittelständische Betriebe nicht zeigen, was sie eigentlich draufhaben.“

Im Neckar-Odenwald-Kreis geht man das Thema E-Mobilität seit Dezember aktiv an und hat extra eine neue Stelle für die Beratung von Kommunen und Privatpersonen rund ums Thema Elektromobilität und deren Fördermöglichkeiten geschaffen. Michael Sack, ebenfalls Gast und Teilnehmer des abendlichen Fachgespräches, hoffte, dass die erhobene CO2-Steuer auf Kraftstoffe zukünftig für den Ausbau CO2-neutraler Mobilität genutzt werde. Momentan sind bereits rund 580 E-Autos im Neckar-Odenwald-Kreis auf den Straßen unterwegs, sowie um die 1600 Hybride. „Da ist definitiv noch Luft nach oben“, resümiert Pfeiffer. Für sie steht fest: „Im PKW-Bereich ist die Umstellung nun wirklich kein Problem mehr. Die Reichweite der neuen Batterien reicht für die durchschnittlich gefahrenen Fahrtstrecken locker aus und für Langstrecken braucht es eine gute Ladesäuleninfrastruktur oder den Umstieg auf die Bahn.“ Nur als Landwirtin muss sie noch eine Weile in den sauren Apfel beißen und Diesel tanken: Bis zur Tauglichkeit des E-Traktors dauert es wohl noch eine Weile.