10 Mio€ Defizit- Kreishaushalt 2025- wir stimmten zu- warum?

„Und da stehen wir wieder und halten unsre Reden. Als Kreisrätinnen und Kreisräte, sind wir sind Teil der Steuerung.
Und so ist es ganz klar, dass wir abhängig von unseren Haltungen, zu den Herausforderungen des nächsten Jahres unsere Meinungen kund tun.
Gemeinsam im politischen Dialog mit allen Kreisrätinnen und Kreisräten, werden wir dann auch den Haushaltsvollzug begleiten.

Und vielleicht erinnern wir uns dabei auch an Paulus Ermahnung an die Galater (5,13): „Brüder und Schwestern, ihr seid zur Freiheit berufen! Aber benutzt eure Freiheit nicht als einen Vorwand, um eurer menschlichen Natur zu folgen. Dient euch vielmehr gegenseitig in Liebe.“

Heute geht es darum, den Haushalt grundsätzlich anzunehmen oder ihn abzulehnen.

Unser Spielraum ist gering, die Ausgabenseite ist durch Aufgaben definiert, von denen nur ganz wenige Freiwilligkeitsleistungen sind, wie der Zuschuss zu Gottersdorf oder zu den Schlossfestspielen Zwingenberg, Freiwilligkeitsleistungen, die im Vergleich zum Gesamthaushalt Tropfen sind, Tropfen, durch die das Leben im Neckar-Odenwald-Kreis kulturell und sozial bereichert wird.

Gibt es Gründe den Haushalt abzulehnen?
Ja, es gäbe Gründe. 10 Mio € Defizit sind alles andere als ein ausgeglichener Haushalt. Die Risiken, die dieser Haushalt birgt, sind hoch. Im letzten Haushalt hatten wir 5 Mio € staatliche Refinanzierungen eingeplant, die nicht gekommen sind, um die Kommunen zu entlasten, das ist nicht aufgegangen, deshalb muss diesmal auch die Kreisumlage steigen. Eine globale Minderausgabe hatten wir in meiner Amtszeit noch nie. Was heißt globale Minderausgabe? Wir haben 1 Mio€ einfach gestrichen, ohne zu sagen an welcher Stelle. Verwaltung schau mal und mache Unmögliches möglich.
Auch dass eine Gewinnausschüttung der AWN in Höhe von 1 Mio € eingeplant ist, zeigt wie ernst die Lage ist. Insgesamt sind auch in diesem Doppelhaushalt trotz Erhöhung der Kreisumlage und globaler Minderausgabe und Gewinnausschüttung der AWN mindestens 5-7 Mio € an Risiken enthalten, die aller Voraussicht nach scharf werden.
Das Klinikdefizit in der voraussichtlichen Höhe können wir genau zweimal decken und dann?
Wenn alle Stricke reißen wird die Kreisumlage steigen, das zeigt ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung. Nur die Kommunen haben ebenfalls leere Taschen.

Warum lehnen wir den Haushalt nicht ab?
Wir lehnen nicht ab, weil wir uns als Demokrat:innen der Verantwortung stellen. Gerade wenn die Zeiten schwieriger werden, brauchen wir den politischen Diskurs um den richtigen Weg nötiger denn je.

Im Angesicht der Klimakrise ist es wichtig, dass wir den Klimaschutz haushalterisch verankern. Die PV-Anlagen auf den landkreiseigenen Gebäuden, die große Flächen-PV, die die kreiseigenen Gesellschaften projektieren, zusammen mit der Gemeinde Haßmersheim, E-Fahrzeuge, klimaneutrale Verwaltungsgebäude, die Bemühungen um eine klimaneutrale Kreisverwaltung, die Stärkung des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs, Kohlenstoffbindung in den Böden durch Terra Preta, all das sind wichtige Ansätze, hinter denen wir stehen, und die wir umgesetzt wissen wollen.
Mit Umweltkosmetik ist es nicht getan. Beim Verwaltungsgebäude legen wir Wert auf eine Hybridbauweise in Holz und Stahl. Beton nur, wo es unbedingt nötig ist. Die Zementindustrie ist für 8% der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich.
Wir müssen Klimaschutz ernst nehmen. Wir müssen handeln. Bei der prognostizierten Erderwärmung drohen uns nicht nur mehr extreme Wetterereignisse, es drohen Hungersnöte, Hitzewellen, Dürren, Fluten- Umweltkatastrophen nehmen zu – Auch ein Grund warum die im Haushalt eingeplante Sandsackfüllmaschine nötig ist. -Und wir steuern sehenden Auges auf eine globale Erwärmung über 3°. Unsere Flüchtlingssituation, soziale Ungleichheit und unsere Haushaltssituation werden sich verschärfen. Gleichzeitig müssen wir dann unsere Reparaturbemühungen vervielfachen. An diejenigen, die sich jetzt mehr Zeit für die Umsetzung wünschen: Wir hatten Zeit. Wir wissen seit über 40 Jahren was auf uns zukommt. Jetzt haben wir keine Zeit mehr. Das Zeitfenster schließt sich.

Überfahrene Kipppunkte sind irreparabel, eigentlich eine Binse. Diejenigen, die uns einreden wollen es gäbe ein Weiter so, sei mit den Worten unseres Landrats widersprochen: „Ein schlichtes „weiter so“ kommt nicht infrage.“

Gerade im Angesicht der sozialen Ungleichheit ist es wichtig die Teilhabe aller zu sichern. Das ist eine Herkulesaufgabe, aber es ist unsere ureigene Kreisaufgabe. Man mag die Bürokratiemonster verfluchen, die aus allen Löchern kriechen, aber züchten wir sie nicht selbst, indem alle Sparfüchse Steuerschlupflöcher suchen, oder sehr findig sind im Nichtbeheben von Barrieren? Gesetzlich vorgeschriebene Barrierefreiheit ist doch nur deshalb erforderlich, weil es Menschen gibt, die aufgrund eines oder mehrerer Handicaps benachteiligt werden. Sollte Teilhabe nicht selbstverständlich sein? Ja, Bürokratieabbau tut bitter not, aber auf sozialer Gerechtigkeit gründet unsere freiheitliche Demokratie.

Zu den Krankenhäusern und zur Krankenhausreform ist genug gesagt. Die Auswirkungen kennen wir nicht. Weder klärt uns der Bundesgesundheitsminister auf noch alle Kritiker, die ja auch nicht wirklich wissen, was im Überraschungspaket wirklich drin steckt.
Wir hatten Mitte Oktober beantragt, die Auswirkungen der Krankenhausreform konkret zu benennen und zu berechnen und Kreistag, Ausschuss und Aufsichtsrat hinreichend zu informieren. Dieser Antrag wurde vom Landrat direkt ans Sozialministerium weitergeleitet. Auch dort liegt kein Tool vor mit dem konkret Auswirkungen beziffert werden können, aber wir erfahren, dass es vom Sozialministerium eine Krankenhausplanung geben wird, und dass die Ergebnisse im Frühjahr vorgestellt werden.
Können wir bei der Krankenhausreform konkret was beeinflussen?
Nein, wir können unsere Bedürfnisse, unsere Bedarfe benennen und sie über alle Kanäle, die uns zur Verfügung stehen einspielen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Aber wir können schauen, ob wir nicht selbst auch tätig werden können. Hier hatte ich schon 3-mal in den letzten Amtsperioden eine regionale Gesundheitskonferenz angemahnt, um alle Akteure im Gesundheitswesen an einen Tisch zu bringen und eine sinnvolle, ganzheitliche Gesundheitsversorge im ländlichen Raum zu entwickeln. Hätte der Kreistag so etwas einberufen, hätten wir einen Plan und wir wüssten mit welchen Gesundheitsanbietern wir z.B. leerstehende Bettentrakte füllen könnten und Synergien heben. – Komplementärfinanzierung und Komplementärgesundheitsangebote.
Kleiner Einschub: Wir hätten auch einen Plan zur Kinderärztlichen Versorgung und zum derzeit virulenten Thema „Kinderärztlicher Notdienst“, bei dem man, so ganz nebenbei, ja auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung eine Ausnahme beantragen könnte, da der 20 km Radius bei weitem überschritten ist.
Wir können aber als Landkreis auch weiter, wie die Kaninchen auf die Schlangen in Berlin und Stuttgart schauen und uns fressen lassen. Und glaubt doch bloß nicht, dass eine andere Regierung die Häuser in Buchen und Mosbach mit Geld überhäufen würde. Wenn Spahn gewollt hätte, hätte er es getan, die Klinikfinanzierung geht nicht erst jetzt den „Lauterbach runter“, die Misere ist größer. Weg mit den DRG und hin zur Daseinsvorsorge. Aber auch bei diesem von mir favorisierten Vorgehen bleiben die finanziellen Mittel begrenzt.

Zu den weiteren Positionen im Sozialhaushalt, zu Jugendhilfe, zu Geflüchteten, ließe sich ebenfalls noch viel sagen.
Exemplarisch zur Jugendhilfe:
Was für ein wichtiges Zeichen, dass wir trotz kritischer Haushaltslage 35 Mio € in die Jugendhilfe geben. Wir erfüllen als Landkreis damit nicht nur unsere Pflichtaufgaben, sondern unterstützen darüber hinaus u.a. wichtige Beratungsangebote. In einer Zeit in der Unsicherheiten und Herausforderungen für alle steigen und besonders Kinder, Jugendliche und Familien darunter leiden, halten wir diese Beratungs-, Präventions- und Unterstützungsangebote für unverzichtbare Beiträge für eine nachhaltig funktionierende Gesellschaft, nicht nur in diesem Haushaltsjahr.
Wir sind dankbar, dass es diese Hilfen für die Schwächsten gibt.

Die Kreiseigenen Schulen sind Vorzeigeeinrichtungen, die wir nach Kräften ausstatten. Hier wird wertvolle Bildungsarbeit gelebt, das wissen wir sehr zu schätzen. Auch hier gäbe es vieles zu sagen und für vieles zu danken.

Bereiche, die ich in der Rede nicht genannt habe, sind nicht vergessen. Sie alle leisten wertvolle Arbeit. Jede und jeder an ihrem Platz.

Wir danken der Verwaltung, allen voran Kreiskämmerer Michael Schork mit seinem Team für die solide Arbeit am Kreishaushalt und dessen Vollzug und auch allen Mitarbeitenden der Kreisverwaltung und der kreiseigenen Gesellschaften und Einrichtungen für ihre treuen Dienste.

Unser Haushalt ist nicht auf Kante genäht, nein er platzt aus den Nähten.
Es gilt mit vereinten Kräften zu tun was nötig ist und
wir werden wieder lernen müssen in Verantwortung zu verzichten.
Wir haben die Grenze des Konsumwachstums erreicht- Zeit für Nachhaltiges Wirtschaften und soziale Wärme.

Wir stimmen dem Haushalt in der vorgelegten Form zu.“

Simone Heitz, Fraktionsvorsitzende, zum Haushalt des Neckar-Odenwald-Kreises Haushaltsrede 04.12.2024