Corona-Maßnahmen: Wann kommt die mittelfristige Strategie mit klarer Perspektive?

Die Bundestagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Bündnis 90/Die Grünen) fordert eine realistische Perspektive, die einen Weg aus der Corona-Krise aufzeigt. Dafür brauche es endlich eine mittelfristige Strategie. Die Politikerin begrüßte zwar einerseits die beschlossenen Maßnahmen, kritisierte allerdings gleichzeitig das Fehlen einer nachvollziehbaren, mittelfristigen Gesamtstrategie. Die Bereitschaft der Menschen, Einschränkungen hinzunehmen, hänge nicht zuletzt an einer Strategie mit einer klaren Perspektive.

„Im Kampf gegen Corona müssen wir endlich das große Ganze denken. Kurzfristige Maßnahmen sind wichtig, aber das darf nicht alles sein, was die politischen Entscheider*innen den Menschen bieten“, erklärte die grüne Abgeordnete des Wahlkreises Odenwald-Tauber. „Bund und Länder verlängern die Corona-Maßnahmen bis Mitte Februar – vorerst, denn wir hangeln uns von Lockdown-Verlängerung zu Lockdown-Verlängerung, und die Menschen bekommen immer noch keine Perspektive.“

Die Bundeskanzlerin und die Ministerräsidentinnen hatten sich am Dienstag geeinigt, den bestehenden Shutdown bis zum 14. Februar zu verlängern. Bis dahin bleibt die Kontaktbeschränkung auf den eigenen Hausstand zuzüglich einer weiteren Person bestehen. Schulen und Kindergärten bleiben bis auf Notbetreuungsangebote geschlossen. Zu einer Verschärfung der Maßnahmen kommt es in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften, in denen das Tragen medizinischer Masken verpflichtend wird. Darüber hinaus müssen Arbeitgeberinnen den Beschäftigten überall dort, wo es möglich ist, das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen. In Unternehmen, in denen weiterhin Präsenz nötig ist und Abstände nicht eingehalten werden können, müssen die Menschen ebenfalls medizinische Masken tragen.

Grüner Fünf-Punkte-Plan und Pandemierat für Verlässlichkeit und Vertrauen
„Im Moment wissen wir noch nicht, ob die Virus-Mutationen in Deutschland schon so verbreitet sind, dass wir mit einer schnelleren Ausbreitung rechnen müssen“, erklärte Schneidewind-Hartnagel. „Deshalb haben wir leider keinen Anlass, über Lockerungen nachzudenken – im Gegenteil. Aus diesem Grund begrüße ich die neuen Corona-Maßnahmen grundsätzlich.“ Sie verwies jedoch auf einen von den Grünen im Bundestag Anfang Dezember vorgeschlagenen Fünf-Punkte-Plan (Link: https://www.schneidewind-hartnagel.de/presse/mit-verlaesslichkeit-und-vertrauen-gegen-corona/
), der für Klarheit sorgen soll, wann wo welche Maßnahmen gelten.

Die Grünen wollen, dass, angepasst an die lokale Lage, bundesweit einheitlich definierte Kriterien zu konkreten Maßnahmen führen. Die daraus resultierende Verlässlichkeit vergrößere auch das Vertrauen der Menschen in die getroffenen Maßnahmen. Die Politik sollte Kriterien und Maßnahmen nicht allein festlegen. Ein interdisziplinär mit Expertinnen und Experten besetzter Pandemierat sollte Empfehlungen aussprechen, bevor Bundestag und Bundesrat sie beschließen. „Wenn die Menschen wissen, was sie gemeinsam für die nächste Lockerungsstufe erreichen müssen, entsteht Motivation. Und Motivation ist sicherlich besser als der Schrecken von Lockdown-Verlängerungen und Verschärfungen ohne Ende.“

Homeoffice-Pflicht ist ein wichtiger Schritt
„Es war längst überfällig, Homeoffice überall dort verpflichtend zu machen, wo es möglich ist. Es geht hier um bestmöglichen Arbeitsschutz“, stellte Schneidewind-Hartnagel fest. „Wir Grüne fordern schon seit vielen Wochen eine Homeoffice-Pflicht.“ Angesichts der Mutationen des Corona-Virus müsse alles getan werden, um dessen Ausbreitung einzudämmen. Damit gehe ein Recht auf sicheres Arbeiten und auf besseren Infektionsschutz in der Berufswelt einher. „Gut, dass Hubertus Heil eingesehen hat, dass es für das Homeoffice eine verbindliche Verordnung braucht.“

Jetzt komme es darauf ein, diese auch so umsetzen, dass sie funktioniere. „Neben einer Beweislastumkehr – also, dass die Unternehmen belegen müssen, dass Homeoffice in einem konkreten Fall nicht möglich ist – muss es eine telefonische Anlaufstelle für betroffene Beschäftigte geben. Weniger Kontakte bedeuten ein geringeres Ansteckungsrisiko bei der Arbeit und im öffentlichen Nahverkehr, der durch Homeoffice ebenfalls entlastet wird.“ Zu einem wirksamen Arbeitsschutz mit Blick auf Covid-19 müssten jedoch auch klare Vorgaben für einen effektiven Gesundheitsschutz an den Arbeitsorten gehören, an denen eine Anwesenheit der Beschäftigten unverzichtbar sei. „Die Homeoffice-Pflicht muss in eine Gesamtstrategie eingebettet werden“.

Schüler*innen und Eltern im Blick
„Eine Gesamtstrategie muss neben klaren, nachvollziehbaren Kriterien für Maßnahmen zwingend Lösungen bei der Betreuung und Beschulung von Kindern beinhalten“, forderte Schneidewind-Hartnagel. „Homeoffice bei gleichzeitigem Homeschooling ist für alle Beteiligten ein gewaltiger Stresstest.“ Neben einer Betreuungsgarantie müsse mit Hochdruck daran gearbeitet werden, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen schnellstmöglich wieder öffnen könnten. Somit gehörten zu einer Gesamtstrategie auch ein Schnelltest-Konzept und die Ausstattung von Schulen und Kitas mit Luftfiltern.

Schneidewind-Hartnagel richtete den Blick auch auf Schüler*innen, die es durch die Pandemie noch schwerer haben, den Anschluss zu halten. „Die Kultusministerkonferenz muss jetzt sagen, wie Kinder, die es nicht alleine schaffen, mit diesem Schuljahr umgehen können. Das muss ebenfalls Teil einer Gesamtstrategie sein“, sagte sie.

Große Unbekannte: Virusmutationen
Nach Einschätzung von Schneidewind-Hartnagel sind auch die beschlossenen, kurzfristigen Maßnahmen unvollständig. „Der Impfstoffmangel ist fatal“, erklärte sie. Teilweise seien die Termine in kommunalen Impfzentren, die 750 Impfungen pro Tag vornehmen könnten, in weniger als einer Stunde vergeben gewesen. „Gerade angesichts der Virusmutationen ist es wichtig, dass wir jetzt mit dem Impfen schnell vorankommen.“

Am Dienstag befasste sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags auf Initiative der Grünen in einer Sondersitzung mit der aktuellen Corona-Lage. „Auch wenn die jüngsten Infektionszahlen Grund zu verhaltener Hoffnung geben, treten wir aufgrund der Virus-Mutationen in eine neue kritische Phase der Pandemie ein“, sagte Schneidewind-Hartnagel. „Deshalb ist es so wichtig, aus den gemachten Fehlern schnell zu lernen und eine ganzheitliche Strategie zu fahren. Einzelmaßnahmen allein werden uns nicht weiterhelfen, sondern nur eine gut abgestimmte Kombination aus Infektionsschutz und Impfungen.“