Rede aus der Kreistagssitzung am 17.05.2021 – Klimaschutzrede – Amelie Pfeiffer

TOP 1

Sehr geehrter Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass unserem Antrag vom 7.12.20 in so ausführlicher Art und Weise gefolgt wurde, und wir uns heute alle gemeinsam intensiv mit dem Thema Klimaschutz befassen. Herzlichen Dank auch an Frau Rudolf, die sich akribisch an diese Arbeit gemacht hat und uns den jeweiligen Stand der einzelnen Punkte des Positionspapiers des Landkreistages ermittelt hat.

Ja, wir haben bereits ordentliche Erfolge vorzuweisen, keine Frage. Diese Erfolge wollen wir auch gar nicht schmälern und bedanken uns auch hier bei Ihnen Herr Landrat und vielen Bürgermeistern,aber auch vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass sie vor allem nach dem Abschalten vom AKW Obrigheim, wenn auch bei einigen erst nach gewissen Widerständen, doch schnell die Chancen für unsere Region durch die regionale Wertschöpfung des Ausbaus der erneuerbaren Energien erkannt und genutzt haben. Dass und wie es geht, dass Ökologie und Ökonomie zusammenwirken, dafür haben die Grünen schon lange geworben, mich hat es wirklich gefreut, lieber Landrat, dass sie das Engagement von Christine Denz, einer echten Vorreiterin für Erneuerbare Energien in diesem Zusammenhang genannt haben und dass sich in den ersten Jahren der atomfreien Energiezeit bei uns im Kreis eine große Dynamik entfalten konnte. Großer Erfolg war damals die von Christine Denz initiierte Solarwette in der Metropolregion, die der NOK dann sogar gewinnen konnte.

Seit dem haben wir uns immer weiter entwickelt und das ist gut so. Die wirtschaftlichen Vorteile durch Gebäudesanierung und Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende Energie schont ja auch die Haushalte enorm und ist allein darum als ein selbstverständliches nachhaltiges Handeln der Verantwortlichen zu sehen. Wir liegen im Land weit vorn beim Ausbau von Windkraftanlagen und PV-Anlagen. Wir liegen weit vorn was bürgerschaftliches Engagement in Bürgerenergiegenossenschaften angeht. Wir liegen mit einer engagierte Energieagentur weit vorn, was das Abrufen von Fördermitteln der Privathaushalte angeht, die Energieagentur, die im Rahmen der PV Initiative intensiv über Dachflächen PV informiert, die mit dem Mitarbeiter Herrn Brönner im Qualitätsnetzwerk Bauen zu weiteren Investitionen in nachhaltiges Bauen führen wird. Es freut mich, dass der Landkreis Ökostrom bezieht, bei der Beschaffung auf Nachhaltigkeit, nämlich Langlebigkeit der Produkte setzt, die Energieeffizienz der Geräte berücksichtigt, auf Recyclingprodukte setzt und auch soziale Kriterien berücksichtigt, wie z.B. das Zahlen von Mindestlohn bei den Herstellern, und vieles mehr. Es gibt auch Punkte mit denen ich hier noch nicht zufrieden bin, aber das will ich hier im Detail jetzt nicht ausführen. Es als Erfolg zu verbuchen, dass man gesetzliche Regelungen umsetzt, wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz, nachdem keine biogenen Stoffe mehr in Mülldeponien abgelagert werden dürfen wodurch etliche Mengen Methan eingespart werden, beschämt mich. Auch dass wir einer der letzten Landkreise waren, der die Biomülltonnen eingeführt hat, ist wirklich kein strategischer Erfolg. Übrigens sollten wir hier eine viel höhere Anschlussquote als 50% anstreben. Chancen sehe ich im Ausbau der Grüngutverarbeitung, des Biomassezentrums, die wirklich ausbaufähig sind.

Doch meine Damen und Herren, reichen diese Anstrengungen wirklich aus? Mittlerweile merken wir alle, wie weit es mit der Klimaerwärmung gekommen ist. Als Landwirtin verzeichnen wir seit 3 Jahren Ernteausfälle und Futterknappheit für unsere Tiere, die Fichten und Buchen kommen mit den Klimafolgen nicht mehr zurecht. Auch wenn ich Ihre Aufmerksamkeit jetzt strapazieren muss, ist es mir noch einmal wichtig, auszusprechen um was es tatsächlich konkret geht, denn wir können nur lokal handeln, wenn wir global denken! Wir laufen direkt auf ein Minenfeld an ökologischen Kippunkten zu, Punkte, die zu irreversiblen Änderungen führen, wenn wir sie auslösen, nämlich dadurch, dass wir eine Erwärmung der globalen Mitteltemperatur von über 1,5 Grad erreichen, so warnt uns Markus Rex, der Expeditionsleiter der Polarstern, der davon ausgeht ,dass in wenigen Jahren die Arktis im Sommer eisfrei sein wird. Viel Süßwasser verdünnt den Salzgehalt des Atlantiks, so dass sich Strömungsverhalten ändern.
So nimmt beispielsweise der für unser gemäßigtes Klima so wichtige Golfstrom bereits messbar immer mehr ab! Durch geringere Temperaturunterschiede zwischen Nordpol und Äquator hat sich unser Windsystem auch bereits verändert, Stürme, über viele Wochen stehende Wetterlagen, die sogenannten Omegawetterlagen mit Wintereinbrüchen in Madrid und in Kalifornien, zunehmende Hurricans in Mittel- und Nordamerika durch einen wärmeren Atlantik, die auch uns ohne den ausgleichenden Golfstrom zunehmend gefährden werden, bedrohen uns zunehmend. In den letzten Jahren konnten wir bereits viele Extremwetterereignisse, Hitze- und Trockenperioden erleben, die unsere Lebensgrundlage bedrohen.

Ein weiterer bekannter Kippunkt ist das Auftauen der Permafrostböden führt zu riesigen Methanmengen, die die Klimaerhitzung weiter antreiben. Und viele weitere Kippunkte kennen wir noch gar nicht. „Wollen wir wirklich blind in das Minenfeld hineinlaufen oder unsere Kinder da hineinschicken“ fragt Markus Rex vom Alfred Wegener Institut.
Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass wir das nicht dürfen! Klimaschutz muss generationengerecht gestaltet werden. Wir wissen mittlerweile alle, dass wir weltweit ein bestimmtes CO2 Budget zur Verfügung haben, das man auf jede Region herunterrechnen kann , je früher wir beginnen, CO2 einzusparen, desto eher bleiben wir Herr des Verfahrens und müssen die nächste Generation nicht zu unzumutbaren Handeln zwingen, das Bundesverfassungsgericht sieht darin den Erhalt der Freiheit für die nächste Generation! Wenn wir so weiter machen wie bisher, ist das CO2 Budget bis 2035 aufgebraucht!

Wenn ich die Unterlagen richtig interpretiere, stehen wir laut KEA Statusbericht mit dem CO2 Emmissionen aus Haushalten, Gewerbe, Dienstleistungen und Industrie in der zweitniedrigsten Kategorie, was pro Kopf einer Menge von 3,7 bis 5 t/pro Jahr und Einwohner bedeutet. (Wir emittieren also im NOK um die 600.000 t CO2 pro Jahr aus.)

In der Anlage zu Klimaneutralen Kommunalverwaltungen wird erläutert dass wir mindestens eine Minderung der Treibhausgasemission bis 2050 von 95 % benötigen. Das wäre pro Kopf noch eine CO2“ Emmission von o,5 -1 t pro Einwohner und Jahr. Um den 1,5 Grad Pfad noch zu erreichen gehe ich davon aus, dass auch das noch nicht reichen wird ,wir müssen so schnell wie möglich bei Netto-Null ankommen.

Jetzt frage ich Sie, wie kommen wir dahin? Haben wir eine klare Strategie? Haben wir das Ziel klar vereinbart, wo genau liegt es? In welchen Handlungsfeldern haben wir überhaupt noch Potentiale, die wir vor Ort beeinflussen können? Mit welchen gezielten Maßnahmen können wir diesem Ziel entgegenkommen?? Bei allem besten Willen, den ich der Verwaltung in seinem alltäglichen Handeln unterstelle, wird es kaum zu erwarten sein, dass so nebenbei neue Handlungsfelder aufgedeckt werden, die zu weiteren CO2 Einsparungen führen können.

Für mich, aus dem hohen Norden, die natürlich als Kind auch das Segeln erlernte, sieht das bildlich so aus, als ob wir alle zusammen in einem Boot sitzen, ja wir haben die Segel gesetzt, mit Rückenwind kommen wir auch voran, ab und zu kommt eine Flaute dazwischen, wie z.B. das EEG der Bundesregierung oder das Ausschreibungsverfahren von Windkraftanlagen, das den Ausbau fast zum Erliegen gebracht hat, aber wir kommen voran! Wir wissen allerdings nicht, wo wir ankommen werden, haben wir uns doch nicht auf ein Ziel geeinigt. Wir haben auch gar kein Ruder, mit dem wir die Richtung bestimmen können, wir setzen auf den Rückenwind. Aber die Klimakrise ist schnell, wir sollten Fahrt aufnehmen, dazu brauchen wir ein Ruder, wir müssen härter an den Wind gehen, wie in einer Regatta wird man erst damit schneller! Das ist dann kein gemütliches Segeln mehr! Wollen wir das Rennen gegen die Klimaerhitzung noch gewinnen? Dann wird es Zeit, lassen Sie uns das Ruder setzen, Fahrt aufnehmen, wie das Bundesverfassungsgericht es deutlich macht und uns darauf einigen, wo wir ankommen wollen!

Das deutsche Institut für Urbanistik spricht sich wie viele andere Institutionen deutlich für die Dringlichkeit des Handelns aus. Ein Klimaschutzkonzept gibt Aufschluss über Treibhausgasemissionen, Handlungsfelder und Maßnahmenkatalog dienen letztendlich als Entscheidungsgrundlage für weitere Klimaschutzaktivitäten. In einer Umfrage hat das Institut auch herausgefunden, dass diese oft an fehlenden finanziellen Mittel scheitern. Wir sind da also nicht allein.

Um so bedauerlicher, dass wir das 2014 vorgestellte „Klimaschutzorientierte Investitionsprogramm“, das Sie Herr Landrat nur als reine Potentialanalyse beschreiben, das von Prof. Heck aber durchaus bereits fortschreibbar angelegt war, nicht weiter verfolgt haben. Allein darum ging es bei dem Vorwurf, etwas „verbummelt“ zu haben.

Prof Heck schreibt mir dazu auf meine Nachfrage am 11. Mai 2021: „ Ja, es ist schade, dass einige Kommunen so wenig aus den teuer erstellten Konzepten machen. Eigentlich müsste man den Plan mit den neuen Fördermöglichkeiten, neuen Preisen (auch für CO2) updaten um wieder konkret handlungsfähig zu sein. Die Potentiale sind eher größer geworden durch die Entwicklung der Wind- und Solarenergie. Mit unserem Maßnahmenempfehlungen könnte der Landkreis eine Energie- und Klimaschutzgesellschaft gründen und damit die Treibhausgas Neutralität anstreben und managen“.

Doch uns fehlen die finanziellen und personellen Ressourcen, allein der Landrat kann es nicht richten, das erwarten wir auch gar nicht. Allerdings wäre zu erwarten, dass Lösungsansätze dafür gesucht werden und vorhandene Netzwerke genutzt und inhaltlich ausgebaut werden. Mit dem regelmäßigen Energiebericht unserer Liegenschaften, dem KEA -Statusbericht und einer gut eingearbeiteten Frau Rudolf haben wir bereits eine gute Grundlage, die ausbaubar ist. Wie wäre es mit einer Kooperation mit unserer DHBW, die sich mit dem Thema Klima durchaus vielfältig befasst und mit dem Studiengang Internationales technisches Projektmanagement das nötige know how mitbringt. Vielleicht wäre hier eine Zusammenarbeit auf Projektebene möglich und könnte die DHBW gleichzeitig stärken.

Des Weiteren möchten wir gleich einige Handlungsfelder anstoßen, die wir aktiv angehen sollten: Für das gesamte ZEUS sollte ein Energieaudit durchgeführt werden, hier liegen unseres Erachtens noch augenmerkliche Potentiale brach, an verschiedenen Stellen gibt es Abwärme oder Stromüberschüsse, die bisher nicht optimal genutzt werden.
Wir bitten außerdem darum, dass die Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung des Landkreises an dem Projekt der Biomusterregion zur „Bio in der Außerhausverpflegung“ teilnehmen. Die Biomusterregion bewirbt sich derzeit (bis zum 27. Mai) um die Teilnahme an einem Modellprojekt, bei dem die teilnehmenden Betriebe umfassende Coachings und Hilfestellung zur Umstellung erhalten, um 30-40 % an bioregionalen Lebensmitteln zu verarbeiten. Diese Chance sollten wir ihnen nicht verbauen. Der Landkreis der sich klar zur Biomusterregion ausgesprochen hat, sich als fair Trade Landkreis bewirbt, sollte auch die Nachfrage an regionalen Bioprodukten fördern, um die Nachfrage nach nachhaltig erzeugten Lebensmitteln zu fördern um damit Landwirte und Naturschutz zu stärken. Auch im Radverkehr steckt derzeit ein großes Potential, gibt es doch aktuell ein außergewöhnlich großes Bundesförderprogramm.

Aufgrund der Dringlichkeit des Handelns werden wir dem heutigen Beschluss nicht zustimmen, da er uns nicht weit genug geht. Der Wortlaut „ wir beauftragen die Verwaltung die einzelnen Klimaschutzziele, soweit sie vor Ort konkret beeinflussbar sind, auch weiterhin nachhaltig in ihre tägliche Arbeit einfließen zu lassen“ klingt wie ein, wenn auch ambitioniertes, „weiter so“. Wir möchten allen Akteuren in der Verwaltung für Ihr Engagement danken, dass alle Klimaschutzziele im Blick haben ist gut und selbstverständlich. Unserer Meinung nach brauchen wir allerdings auch als Landkreis eine noch aktivere Rolle im Klimaschutz.

Sehr geehrter Herr Landrat, Sie meinen, wir brauchen kein Klimaschutzgesetz? Wenn Sie ein Haus bauen, wie gehen Sie dann vor? A.) Sie nehmen sich einen Architekten, der das Haus plant oder B.) Sie lassen alle, die wollen nach Lust und Laune drauf los bauen? Der Beschlussvorschlag der Verwaltung entspricht Lösung B, wir plädieren für Lösung A.
Sie haben es vorhin genau gesagt, wir müssen uns nicht mit andern Kreisen vergleichen, sondern mit uns selbst, dazu müssen Zahlen und Daten erhoben und Dokumentiert werden. Sie haben uns in wunderbaren Folien die CO2 Einsparungen des Landkreises vorgestellt, allerdings berechne ich daraus noch eine CO2 Emission pro Einwohner und Jahr von 0,27 t. Aus den Unterlagen geht hervor, dass Klimaneutralität erst bei einer Menge von 0,015 bis 0,03t/Einwohner und Jahr erreicht ist. Sie sehen, ohne Zahlen und nur mit gesundem Menschenverstand geht es nicht!

Daher stellen wir erneut unseren Antrag, wie wir ihn im WUV gestellt haben, der Wortlaut liegt Ihnen vor. Da wir ja bereits sehr gut stehen, streben wir die Klimaneutralität bis 2035 an.

„Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“ ist das Gründungsmotto der Grünen und aktuell vom Bundesverfassungsgericht als Aussage nur bestätigt.

Liebe Damen und Herren, hier geht es nicht um Parteipolitik, es geht um alle unsere Kinder. Es geht nicht nur darum, wie es 2050 aussieht, mein jüngster Enkel ist 2020 geboren, er wird, wenn Gott will bis ins nächste Jahrhundert hinein leben und um diese Zukunft geht es , auch hier vor Ort bei uns! Darum lassen Sie uns gemeinsam Fahrt aufnehmen, setzen wir die Segel, ziehen wir die Schoten an und gehen hart an den Wind!

Vielen Dank!